„Nachruf alt Bundesrat René Felber“ (d) / SGA ASPE, Adrian Hadorn / 26. November 2020

26.November.2020

Introduction par Gret Haller:

La nécrologie du PS Suisse pour notre camarade René Felber dans le journal du parti « LINKS » a rendu hommage à l’ancien Conseil fédéral comme un militant engagé pour une Suisse largement ouverte, mais ne dis pas un mot qu’en 1992 il a été l’initiateur de la majorité de 4 contre 3 au Conseil fédéral pour le dépôt de la demande d’adhésion à l’UE. René Felber a gagné le PLR Delamuraz (dont le collègue Villiger était et s’y est toujours opposé) ainsi que le démocrate-chrétien Cotti (dont le collègue du parti, M. Koller, a été et est resté opposé), mais son propre collègue, Otto Stich, était et s’y est toujours opposé. Adolf Ogi a été le quatrième à soutenir le dépôt de la demande, qui a été signée le 26 mai 1992. Ce n’est que parce que la demande était sur la table à Bruxelles que l’UE était prête à entamer des négociations dites « bilatérales » après le « non » sur l’EEE. Elle a estimé qu’il ne s’agissait que d’une période de transition jusqu’à l’adhésion. Sans René Felber le bilatéralisme n’existerait pas. Le parti-père de notre section aurait dû tout de même mentionner le mot adhésion à l’UE dans sa nécrologie. Ou est-elle déjà soumise à une interdiction de penser alors que l’objectif d’adhésion est toujours inscrit dans le programme du parti ?

Nous publions donc si-dessous la nécrologie (en allemand) d’Adrian Hadorn, a. Ambassadeur, Président SGA-ASPE de 2010 à 2014, membre de notre section:


Einführung von Gret Haller:

Der Nachruf der SP Schweiz für unseren Genossen René Felber in der Parteizeitung „LINKS“ würdigte den früheren Bundesrat als einen engagierten Kämpfer für eine weitoffene Schweiz, erwähnt aber mit keinem Wort, dass er im Jahre 1992 der Initiator der 4:3-Mehrheit im Bundesrat für die Einreichung des EU-Beitrittsgesuches war. René Felber gewann den Freisinnigen Delamuraz (dessen Parteikollege Villiger war und blieb dagegen) sowie den Christdemokraten Cotti (dessen Parteikollege Koller war und blieb dagegen), aber sein eigener Parteikollege Otto Stich war und blieb ebenfalls dagegen. Adolf Ogi befürwortete als vierter die Einreichung des Gesuches, welches am 26. Mai 1992 unterzeichnet wurde. Nur weil das Gesuch in Brüssel auf dem Tisch lag, war die EU nach dem EWR-Nein überhaupt bereit, sog. „bilaterale“ Verhandlungen aufzunehmen. Sie ging davon aus, es handle sich nur um eine Übergangsphase bis zum Beitritt. Ohne René Felber gäbe es den Bilateralismus nicht. Die Mutterpartei der sp-ps-section.EU hätte das Wort EU-Beitritt in ihrem Nachruf immerhin erwähnen müssen. Oder unterliegt sie bereits selber einem Denkverbot, obwohl das Beitrittsziel nach wie vor im Parteiprogramm verankert ist?

Wir veröffentlichen deshalb an dieser Stelle den Nachruf (d) von Adrian Hadorn, a. Botschafter, Präsident SGA-ASPE von 2010 – 2014, Mitglied unserer Sektion:


Nachruf alt Bundesrat René Felber


Am 18. Oktober 2020 ist alt Bundesrat René Felber, Ehrenpräsident der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik, im Alter von 87 Jahren gestorben. Er war ein eher leiser, bescheidener, freundlicher Mensch. Mit seinem Taktgefühl, seiner Intelligenz, seinem Charme und seiner menschlichen Wärme sei Felber für die Kollegen ein aufrichtiger Freund geworden, würdigte Adolf Ogi ihn an dessen letzter Bundesratssitzung.

Doch gerade er wurde zum Magistraten, der in aufgewühlter Zeit entscheidende Umwälzungen der helvetischen Aussenpolitik einzuleiten versuchte.

René Felber absolvierte eine typisch schweizerische Politiker-Karriere: Als Primarlehrer begann er 1960 im Parlament von Le Locle, 1964 wurde er zum Stadtpräsidenten, 1965 ins Kantonsparlament von Neuenburg und 1967 in den Nationalrat gewählt. 1981 wechselte er ins Finanzdepartement der Neuenburger Kantonsregierung. Ende 1987 wurde er Nachfolger von Pierre Aubert im Bundesrat und im Aussenministerium.

Die Aussenpolitik der Schweiz segelte  in seiner 5-jährigen  Amtszeit in  turbulenten Gewässern. Auslöser war ein Fiasko für Bundesrat, Parlament und aussenpolitische Elite:  Am 13. März 1986 schmetterten Volk (mit 76% Nein-Stimmen) und  (alle!) Kantone  den Beitritt zur UNO ab. Offenbar gab es einen tiefen Graben zwischen Regierung und der grossen Mehrheit der Bevölkerung.

1989 fiel die Berliner Mauer. 1990 begannen der Golfkrieg und  das Ende des Apartheitsregimes  in Südafrika.  1991 brach die  Sowjetunion auseinander, der Zerfall Jugoslawiens führte zu blutigen Kriegen in Europa.

1992 versuchte die Weltgemeinschaft auf der Rio-Konferenz nachhaltige Wege aus den globalen Krisen (Umwelt,  wachsende Ungleichheit zwischen  Arm und Reich, vielfältige Gefährdung der menschlichen Sicherheit) auszuhandeln.

Felbers Herzensanliegen war die Europafrage. Er war der erste Bundesrat, der offen für den Beitritt der Schweiz zur damaligen Europäischen Gemeinschaft eintrat.  Am 18. Mai 1992 erklärte er vor den Medien, dass der Bundesrat ein Gesuch für EG-Beitrittsverhandlungen beschlossen habe. Natürlich sei die EG keine Wunderlösung, aber die beste Lösung. Die Schweiz solle sich an einem geeinten, friedlichen und starken Europa beteiligen. Vier Bundesräte waren dafür, darunter Adolf Ogi von der SVP, drei dagegen, darunter Otto Stich von der SP. Letzterer erlebte diesen Tag als Triumph, weil am Vortag das Volk dem Beitritt zu Weltbank und Währungsfond zugestimmt hatte, und gleich auch als Katastrophe, weil er sich vehement gegen das EG-Beitrittsgesuch wehrte.

Hiess es noch im „Bericht über die Stellung der Schweiz im europäischen Integrationsprozess vom 24. August 1988“: „…kann ein EG-Beitritt nach heutigem Ermessen nicht das Ziel der schweizerischen Integrationspolitik sein“, so lautete die Aussage des Bundesrates  zwei Jahre später – im Vorfeld der schicksalshaften Abstimmung zum EWR-Referendum – viel affirmativer: “In dieser Sicht können wir unsere Beteiligung am EWR als wichtigen Beitrag der Schweiz zu einer europäischen Integrationsidee betrachten. Dieser Beitrag könnte sich längerfristig und unter geeigneten Umständen in einer Zugehörigkeit der Schweiz zur EG verwirklichen.“ Bundesrat Ogi nannte den EWR im Fernsehen „Trainingscamp für den EG-Beitritt“.

Das war eine Steilvorlage für die Gegner des EWR. Was für die aussenpolitische (und wirtschaftliche) Elite eine wirtschaftspolitische Selbstverständlichkeit schien, war für den Volkstribun Blocher und seine rasant wachsende Anhängerschaft ein Fundamental-Angriff auf schweizerische Grundwerte: Demokratie, Föderalismus, Unabhängigkeit, Neutralität.

Und so kam es am 6. Dezember 1992 zur wohl wichtigsten aussenpolitischen Abstimmung seit dem Kriegsende 1945: Bei allerhöchster Stimmbeteiligung (78.73%) trennten knapp 0.6% (23.836  von 3.549.580) Stimmen das NEIN- vom JA-Lager.

Es war ein hauchdünner Sieg, ein ultraknappes Nein, das viele Fragen aufwarf. Fragen nach der künftigen Form der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, nach dem Platz der Schweiz in Europa und der Welt. Fragen nach Öffnung und Abschottung. Es dauerte bis 1999, bis das Verhältnis zu Europa in bilateralen Verträgen neu geregelt werden konnte. Politische Konfrontation wurde zunehmend heftiger und schien irreversibel.

Für den Bundespräsidenten René Felber war dies eine Niederlage in seinem wichtigsten aussenpolitischen Projekt:  Am Abend erklärte er vor der Bundeshauspresse: Der Bundesrat bedauert, dass die Schweiz auf die zahlreichen Möglichkeiten der Öffnung und der Entwicklung, die der EWR bietet, verzichtet»,

Der historische Einschnitt wurde auch zu einem biographischen: Am 13. Januar 1993 erklärte er seinen Rücktritt aus dem Bundesrat. Dieser hatte sich bereits bei Halbzeit seines Bundespräsidiums abgezeichnet. Er hatte sich im Sommer 1992 einer Krebsoperation unterziehen müssen.

Mit seinen eigenen Worten rettete er mit dem Rücktritt seine Haut. Er verbrachte im Wallis einen unbeschwerten Lebensabend und engagierte sich in verschiedenen Funktionen für den Frieden.

Die SGA wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.


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